Kann man einen Auszubildenden auf Verdacht kündigen?

Auszubildenden darf ein Ausbilder nicht so ohne weiteres kündigen. Doch gilt das auch dann, wenn ein Azubi in Verdacht geraten ist, im Job Geld unterschlagen zu haben? Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt hat heute über eine Verdachtskündigung in einem Ausbildungsverhältnis verhandelt.

Nach der Probezeit sind Auszubildende nahezu unkündbar. So lautet zumindest eine weit verbreitete Ansicht. Das trifft aber nicht immer zu, wie das Bundesarbeitsgericht (BAG) heute klargestellt hat. Das Gericht hat die Verdachtskündigung eines Auszubildenden bestätigt. Die genaue Begründung des Urteils steht noch aus.

Dem BAG lag der Fall eines ehemaligen Auszubildenden einer Bank vor, den sein Arbeitgeber, also sein Ausbilder, verdächtigte, bei der Arbeit 500 Euro unterschlagen zu haben. Den Verdacht begründete der Ausbilder etwa damit, dass der Azubi einer Anhörung zu den Vorwürfen Wissen gezeigt habe, über das nur jemand verfügen könne, der das Geld entwendet habe. Die Bank kündigte dem Azubi fristlos (AZ: 6 AZR 845/13).

Gegen diese Verdachtskündigung zog der Lehrling vor Gericht. Seine Argumente: Eine Verdachtskündigung sei in einem Ausbildungsverhältnis generell unzulässig. Zudem sei die vor anstehenden Verdachtskündigungen übliche Anhörung nicht korrekt verlaufen, denn die Bank habe ihm etwa vor der Anhörung nicht mitgeteilt, welchen Inhalt das Personalgespräch haben werde. Außerdem habe der Ausbilder gegen das Datenschutzgesetz verstoßen und könne den Inhalt des Gesprächs daher nicht als Beweismittel vor Gericht verwenden.

Diesen Argumenten sind Deutschlands höchste Arbeitsrichter aber nicht gefolgt. Auch die beiden Vorinstanzen, das Arbeitsgericht Trier und das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, hatten die Verdachtskündigung als gerechtfertigt eingestuft (AZ: 2 CA 994/11 und AZ: 2 SA 490/12).

Können Auszubildende gekündigt werden?

Die rechtlichen Hürden, um einem Auszubildenden zu kündigen, sind hoch und werden immer höher, je näher das Ende der Ausbildung rückt. „Nach dem Ende der Probezeit stehen Auszubildende unter besonderem Kündigungsschutz“, erklärt der Wiesbadener Anwalt Jakob T. Lange von der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV). Daher könne ein Ausbilder einem Lehrling nur dann außerordentlich und fristlos kündigen, wenn ein wichtiger Grund vorliege.

Als wichtige Gründe, die eine fristlose Kündigung legitimieren, gelten nach dem Berufsbildungsgesetz Tatsachen, auf Grund derer dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile die Fortsetzung des Ausbildungsverhältnisses bis zum Ende der Ausbildung nicht zugemutet werden kann.

Konkret wird der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in seiner Broschüre „Deine Rechte in der Ausbildung“. Dort heißt es: Ein Lehrling könne dann fristlos gekündigt werden, wenn er im Unternehmen etwas stehle, „krankfeiere“ oder zum wiederholten Male zu spät komme und dafür auch schon abgemahnt worden sei. Dem DGB zu Folge könne auch rassistischen und nationalsozialistischen Äußerungen und Handlungen eine fristlose Kündigung folgen.

Verdachtskündigung und Ausbildungsverhältnis

Allerdings ging es in dem heute verhandelten Fall nicht um ein belegtes Vergehen oder eine bewiesene Straftat, sondern um einen Verdacht. Demnach soll ein Bank-Azubi bei der Ausbildung Geld unterschlagen haben, wofür ihn sein Arbeitgeber und Ausbilder fristlos kündigte.

Im Sommer 2007 entschied zum Beispiel auch das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz bereits in einem Kündigungsschutzverfahren und verwarf die Verdachtskündigung einer Auszubildenden. Ihr Arbeitgeber verdächtigte sie, im Job Geld unterschlagen zu haben. Die rheinland-pfälzischen Richter betonten, eine Verdachtskündigung in einem Ausbildungsverhältnis sei nur ausnahmsweise möglich, und zwar dann, wenn „der besondere Charakter des Ausbildungsverhältnisses eine vertiefte Vertrauensbasis zwischen den Vertragspartnern erfordere“ (AZ: 9 SA 40/07).

Das BAG hat heute mit einer ähnlichen Begründung bestätigt, dass auch einem Auszubildenden aufgrund eines dringenden Verdachts einer schwerwiegenden Pflichtverletzung gekündigt werden kann.

Hintergrund: Was ist eine Verdachtskündigung?

Verdachtskündigungen können nicht nur in Ausbildungsverhältnissen eine Rolle spielen, sondern auch in „normalen“ Arbeitsverhältnissen.Bei einer Verdachtskündigung kann ein Arbeitgeber einem Mitarbeiter bei dringendem Verdacht auf eine Straftat oder eine schwere Pflichtverletzung außerordentlich, also fristlos kündigen. Für diesen Verdacht reichen Tatsachen aus, nach denen eine große, überwiegende Wahrscheinlichkeit besteht, dass er eine Straftat oder aber schwere Pflichtverletzungen begangen hat. „Der Arbeitgeber muss also die Straftat als solche nicht nachweisen“ betont Rechtsanwalt Jakob T. Lange.

Ist der Verdacht auf eine Straftat oder eine Pflichtverletzung so schwerwiegend, dass das Vertrauensverhältnis zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter zerrüttet ist, kann der Arbeitgeber eine Verdachtskündigung aussprechen. Allerdings ist der Arbeitgeber zuvor dazu angehalten, alle zumutbaren Schritte zu unternehmen, um den Sachverhalt aufzuklären.

Muss der Chef vor der Verdachtskündigung abmahnen?

Je nach Schwere des vermuteten Vergehens muss ein Chef seinen Mitarbeiter vor einer Verdachtskündigung nicht abmahnen, aber er muss ihn anhören und ihm die Gelegenheit geben, sich zu den Vorwürfen zu äußern.

Außerdem gilt: Vor jeder Kündigung muss der Arbeitgeber den Betriebsrat, wenn es im Unternehmen einen gibt, anhören und ihm die Gründe für die Kündigung mitteilen. Sonst ist eine Kündigung unwirksam. 

Verdachtskündigungen umstritten

Die bislang öffentlich bekannteste Verdachtskündigung ist der Fall der Kassiererin Emmily, die ihr Arbeitgeber verdächtigte, einen Pfandbon im Wert von wenigen Cent unterschlagen zu haben. Der Fall sorgte für öffentliche Empörung, denn er traf das Gerechtigkeitsempfinden vieler Menschen empfindlich. Denn es stellt sich die Frage, ob Verdachtskündigungen mit der Unschuldsvermutung vereinbar sind.

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