Dürfen Mitarbeiter vom Detektiv obersiviert und gefilmt werden?

Nein. Zumindest nicht ohne konkreten Verdachtsfall. Das haben heute die Richter am Bundesarbeitsgericht entschieden. Verhandelt wurde über eine Arbeitnehmerin, die nach ihrer Krankschreibung von einem Detektiv ausspioniert worden war – und dagegen klagte. Erfahren Sie hier alles über die Entscheidung und, wie weitgehend Chefs ihre Mitarbeiter ausspionieren dürfen. 

Wer viel krank ist, ruft mitunter das Misstrauen seines Arbeitgebers auf den Plan. Einfach so darf der Chef seine Mitarbeiter aber nicht überwachen. Die Grenzen der Observation wahren Datenschutz und das Persönlichkeitsrecht. Besteht aber ein Verdacht, ist der Einsatz eines Detektivs denkbar und auch, dass dann eine Videokamera verwendet wird. Die Richter am Bundesarbeitsgericht (BAG) haben dem heute einen Riegel vorgeschoben.

Darüber wurde in Erfurt verhandelt: Die Klägerin ist als Sekretärin in einem Metallbetrieb angestellt. Weil ihr Chef nach einer Krankschreibung an ihrer Arbeitsunfähigkeit zweifelte, setzte er einen Detektiv auf sie an. Der sollte Videoaufnahmen von ihr machen. Von denen fühlte sich die Mitarbeiterin in ihren Persönlichkeitsrechten verletzt und forderte Schmerzensgeld.

In erster Instanz hatten die Richter die Klage abgewiesen, in zweiter ihr eine Entschädigung zugeschrieben. Nachdem beide Parteien in Berufung gingen, musste heute das Bundesarbeitsgericht final entscheiden.

Das Urteil: Überwachung von Angestellten nur in sehr engen Grenzen 

Nun hat das Bundesarbeitsgericht der Überwachung von Beschäftigten etwa im Krankheitsfall enge Grenzen gesetzt. Nur bei einem auf Tatsachen beruhenden, konkreten Verdacht einer schweren Pflichtverletzung dürften Arbeitgeber Detektive zur Kontrolle von Mitarbeitern einsetzen, urteilten die höchsten deutschen Arbeitsrichter am Donnerstag in Erfurt (AZ: 8 AZR 1007/13). Derartige Pflichtverletzungen können laut einem Gerichtssprecher das Vortäuschen einer Krankheit oder Diebstähle sein.

Die Überwachung durch Detektive sei ein Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Arbeitnehmer. Dieser sei nur in einem konkreten Verdachtsfall gerechtfertigt, begründete der achte Senat des Bundesarbeitsgerichts seine Entscheidung.

Bei einer unzulässigen Überwachung hätten trotzdem observierte Arbeitnehmer zugleich Anspruch auf Schmerzensgeld. Damit erklärten die obersten Arbeitsrichter erstmals, unter welchen Voraussetzungen Detektive zur Kontrolle von Mitarbeitern zulässig sind.

Wann darf der Chef einen Detektiv einsetzen?

Das ist zunächst eine datenschutzrechtliche Frage. Daten zu erheben, sie zu speichern und an Dritte herauszugeben, ist Unternehmen zunächst untersagt. Der Gesetzgeber sieht allerdings Ausnahmen von diesem Verbot vor. Arbeitgeber dürfen laut Paragraph 32 des Bundesdatenschutzgesetzes ihre Mitarbeiter zum Beispiel dann überwachen, wenn davon die Entscheidung abhängt, ob das Arbeitsverhältnis beendet werden soll.

Vorher steht aber immer zur Debatte, „was die Veranlassung ist, ob der Chef einen konkreten Anlass hat und dann ob der Anlass ausreichend ist“, sagt Nathalie Oberthür. Die Rechtsanwältin ist Mitglied des geschäftsführenden Ausschusses der Arbeitsgemeinschaft Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein. Die Überwachung müsse immer verhältnismäßig sein.

Darf der Detektiv während der Observation eine Videokamera nutzen?

Nathalie Oberthür sagt: „Eine Kamera ist insofern problematisch, als der Detektiv bereits Zeuge ist.“ Die Aussage des Detektivs würde eigentlich ausreichen, weil das Videomaterial keine weitergehenden Erkenntnisse biete. Zudem sei es unter Umständen wenig aussagekräftig. „Dass der Mitarbeiter auf der Straße steht, sagt noch nichts über seine Arbeitsunfähigkeit aus“, so die Rechtsanwältin.

Haben rechtswidrig überwachte Mitarbeiter einen Anspruch auf Schadenersatz?

Eine rechtswidrige Überwachung verletzt den Observierten in seinen Persönlichkeitsrechten. Das wiederum kann den Anspruch auf Schadenersatz rechtfertigen – zumindest, wenn der Eingriff sehr schwerwiegend ist. Wie in dem verhalten Fall vor dem Bundesarbeitsgericht. Grundsätzlich rechtfertige allerdings nicht jeder rechtswidrige Eingriff Schmerzensgeld, gibt Rechtsanwältin Oberthür zu bedenken.

Inwieweit ist die Videoüberwachung ohne Detektiv gerechtfertigt?

Bereits in der Vergangenheit hat das BAG in mehreren Urteilen entschieden, dass eine Überwachung nur „im notwendigen Rahmen“ stattfinden darf. Was ein „notwendiger Rahmen“ ist, erklärt Susanne Clemenz, Gütersloher Fachanwältin für Arbeitsrecht und Mitglied im Gesetzgebungsausschuss Arbeitsrecht im Deutschen Anwaltverein (DAV): „Die Regeln sind hier sehr restriktiv.“ Vor einer verdeckten Videoüberwachung müssten erst alle anderen Möglichkeiten ausgeschöpft werden.

„Alles, was der Arbeitgeber heimlich macht, unterliegt einer strengen Verhältnismäßigkeitsprüfung und muss das praktisch letzte zur Aufklärung verbliebene Mittel sein“, fasst Rechtsanwältin Clemenz die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zusammen. Schließlich sei dieser Schritt ein erheblicher Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Angestellten. (Auswahl der Urteile des BAG: 26. August 2008; AZ.: 1 ABR 16/07; 21. Juni 2012; AZ.: 2 AZR 153/11; 20. Juni 2013; AZ.: 2 AZR 546/12).

Allerdings unterscheidet die Rechtsprechung dabei stets zwischen der Zugänglichkeit des jeweiligen Raums: Handelt es sich um einen öffentlich zugänglichen Bereich (bspw. ein Biergarten) mit Publikumsverkehr, dürfen zur Aufgabenerfüllung – etwa der Einhaltung des Hausrechts – auch Kameras installiert werden. Hierbei darf es aber nicht primär um die Mitarbeiterüberwachung gehen.

Unter bestimmten Voraussetzungen ist eine Videoüberwachung erlaubt

Sollten, um bei dem Beispiel zu bleiben, auch Beschäftigte dauerhaft von der Überwachung betroffen sein, also Kellner, Bierzapfer oder Kassierer, ist die Überwachung aber nur eingeschränkt erlaubt. „Zunächst muss die Videoüberwachung kenntlich gemacht werden“, erklärt Susanne Clemenz. Arbeitnehmer dürften nur dann miterfasst werden, wenn der Einsatz verhältnismäßig sei, es sich etwa objektiv um einen Risikobereich handele, der überwacht werden müsse. „Wenn die Installation von Kameras aber nur als Deckmantel für eine gezielte Mitarbeiterüberwachung dient, bekommt der Arbeitgeber Probleme.“

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